Microsoft word - jjt_19990701_ogh0002_0020ob00274_97a0000_000.rtf
Gericht OGH Entscheidungsdatum 01.07.1999 Geschäftszahl 2Ob274/97a Kopf Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Unterbringungssache der Renate A*****, infolge Revisionsrekurses der Patientenanwältin Mag. Sabine Papalecca-Reiter, 8053 Graz, Wagner-Jauregg-Platz 1, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 23. Juli 1997, GZ 6 R 289/97g-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Juni 1997, GZ 19 Ub 613/96m-12, bestätigt wurde, den Beschluß
Der Revisionsrekurs wird zurückgwiesen.
Begründung:
Renate A***** wurde am 1. September 1996 vom Polizeiarzt in das Landesnervenkrankenhaus Graz eingewiesen. Sie wurde zunächst im Sinne des § 10 Abs 1 UbG vom stellvertretenden Abteilungsleiter untersucht. Nach der Aktenlage hat die Patientin angstbesessen getobt, um sich geschlagen und war nicht zu beruhigen. Als akute Selbst- und Fremdgefährdung sowie Gefahr im Verzug als gegeben angenommen wurde, wurde die Patientin fixiert und es wurden ihr Truxal und Haldol verabreicht. Die Patientin wurde sechseinhalb Stunden später einer weiteren Untersuchung durch einen anderen Oberarzt unterzogen, dem es aber nicht gelang, mit der stark verlangsamten und sedierten Patientin ein geordnetes Gespräch zu führen.
Bei der Betroffenen lag zum Zeitpunkt der Einweisung eine anfänglich deutlich paranoide Symptomatik mit Angstzuständen vor, die in der Folge deutlich abklangen, weshalb das Erstgericht mit dem anläßlich der Erstanhörung verkündeten Beschluß vom 5. 9. 1996 die Unterbringung der Betroffenen für unzulässig erklärte. Bei dieser Erstanhörung lag ein Antrag der Patientenanwältin vor, die Bewegungseinschränkung und zwangsweise Heilbehandlung der Betroffenen durch Verabreichung von Beruhigungsmitteln bzw durch Fixierung an das Bett als unzulässig zu erklären. Diese Maßnahmen hätten vor der zweiten ärztlichen Untersuchung und somit vor der Unterbringung nicht durchgeführt werden dürfen. Das Erstgericht behielt sich die Beschlußfassung über die Entscheidung über diese Anträge vor.
Mit Beschluß vom 12. 9. 1996 wies das Erstgericht den Antrag der Patientenanwältin zurück. Die gesetzten Zwangsmaßnahmen seien Akte unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Rahmen des Aufnahmevorganges und unterlägen der Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat. Eine Prüfungskompetenz der Gerichte beziehe sich nur auf die Zulässigkeit der weiteren Unterbringung des Kranken und nicht auf die Frage, ob der Aufnahmevorgang selbst ordnungsgemäß gewesen sei. Der Antrag sei daher unzulässig.
In dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs beantragte die Patientenanwältin die Feststellung, daß die Unterbringung der Betroffenen ab dem 1. 9. 1996 und die am selben Tag erfolgte weitere Bewegungseinschränkung und zwangsweise Heilbehandlung unzulässig seien.
Das Rekursgericht gab diesem Rekurs nicht Folge.
Mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 13. 2. 1997 wurden diese Entscheidungen aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, über den Antrag der Patientenanwältin in der Sache selbst zu entscheiden.
Das Erstgericht sprach mit Beschluß vom 23. 6. 1997 (ON 12) durch den nunmehr zuständigen Richter, der die Erstanhörung selbst nicht durchgeführt hatte, ohne Abhaltung einer weiteren Tagsatzung aus, daß die am 1. 9. 1996 erfolgte Behandlung der Betroffenen durch zwangsweise Verabreichung (intramuskuläre Injektion) der Medikamente Truxal und Haldol und die am selben Tag erfolgte Beschränkung der Betroffenen in ihrer Bewegungsfreiheit durch Fixierung am Bett gesetzmäßig gewesen sei. Es hielt fest, daß der Sachverständige bei der Erstanhörung am 5. 9. 1996 festgestellt habe, daß bei der Betroffenen anfänglich eine deutlich paranoide Symptomatik mit Angstzuständen vorgelegen sei; diese Symptomatik habe in den Tagen vor der Erstanhörung abgenommen, weshalb zum Zeitpunkt der Erstanhörung eine erhebliche Selbst- und Fremdgefährdung nicht mehr indiziert sei.
Es erörterte rechtlich, daß nach § 37 UbG die Zustimmung und die gerichtliche Genehmigung einer Heilbehandlung dann nicht erforderlich sei, wenn die Behandlung so dringend notwendig sei, daß der mit der Einholung der Zustimmung oder der Genehmigung verbundene Aufschub das Leben der Kranken gefährden würde oder mit der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit des Kranken verbunden wäre. Über die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Behandlung entscheide der Anstaltsleiter, dem gewisse Verständigungspflichten oblägen. Nach der Aktenlage habe der stellvertretende Abteilungsleiter akute Selbst- und Fremdgefährdung bei der Betroffenen angenommen. Deren Behandlung durch zwangsweise Verabreichung der Medikamente Truxal und Haldol sei daher so dringend notwendig gewesen, daß der durch die Einholung der Zustimmung oder der Genehmigung bewirkte zeitliche Aufschub mit der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit der Betroffenen verbunden gewesen wäre. Auch die Fixierung der Betroffenen am Bett sei zur Abwehr einer ernstlichen und erheblichen Selbst- und Fremdgefährdung unerläßlich gewesen.
Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Patientenanwältin erhobenen Rekurs, in welchem die Feststellung begehrt wurde, daß sowohl die Unterbringung ab dem 1. 9. 1996 als auch die zwangsweise Behandlung und Bewegungseinschränkung rechtswidrig und unzulässig gewesen seien, nicht Folge.
Es führte aus, daß sich die Betroffene nicht dadurch beschwert erachten könne, daß ein nunmehr zur Entscheidung berufener Erstrichter entschieden habe, weil auch eine neuerliche Verhandlung keinerlei Rückschlüsse auf das Zustandsbild der Betroffenen zum Aufnahmezeitpunkt zugelassen hätte. Die Voraussetzungen zur zwangsweisen Behandlung und zur Fixierung der Betroffenen am Bett seien nach der Aktenlage gegeben gewesen. Soweit der Rekursantrag dahingehend laute, das Rekursgericht möge feststellen, daß die Unterbringung der Betroffenen ab dem 1. 9. 1996 unzulässig gewesen sei, sei dieser insoweit als positiv erledigt anzusehen, als das Erstgericht mit dem nach der damaligen Anhörung verkündeten Beschluß bereits die Unzulässigkeit der Unterbringung ausgesprochen habe.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung nicht zulässig. sei.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Patientenanwältin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß zu beheben und die Sache zur Sachentscheidung an das Erstgericht bzw Rekursgericht zurückzuverweisen.
Die Patientenanwältin macht in ihrem Rechtsmittel vor allem geltend, daß das Erstgericht über die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen entschieden habe, ohne die gemäß § 38 Abs 1 UbG obligatorische Tagsatzung abzuhalten. Dadurch sei der Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt worden.
Rechtliche Beurteilung
Eine Nichtigkeit bzw Mangelhaftigkeit der Entscheidung erster Instanz, wie sie infolge angeblicher Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bzw Verletzung des rechtlichen Gehörs schon im Rekurs behauptet wurde, ist vom Rekursgericht verneint worden. Eine in zweiter Instanz für nicht gegeben erachtete Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz kann aber auch im außerstreitigen Verfahren in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (SZ 65/84 mwN; EFSlg 67.456; 79.676 uva). Auch angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Rekursgericht bereits verneint wurden, können nicht mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden (EFSlg 70.385; 82.862 uva).
Der Revisionsrekurs enthält somit keinen tauglichen Rechtsmittelgrund, weshalb er mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen war.
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