42. Deutscher Diabetes-Kongress Anspruchsvol e Herausforderungen der Kardiodiabetologie Im Jahr 2010 werden ca. 10 Mio. Diabetiker, viele da
Großbritannien in der Diabetes UK, in den USA in
von mit Spätschäden an Herz, Nieren, Augen und Ner
der American Diabetes Association (ADA). Auf
vensystem, einen Großteil der Ausgaben im Gesund
Deutschland übertragen würde dies bedeuten, dass
heits und Sozialsystem verursachen. Deshalb will die
sich BdKJ, DDB, DDG, VDBD und DDU mit ihren
Deutsche DiabetesGesellschaft (DDG) mit anderen
etwa 55 000 Mitglieder zusammenschließen zu einer
Fachgesellschaften, insbesondere mit der DGK, aber
neuen Organisation, der Kerner den Arbeitstitel
auch mit Neurologen und Nephrologen verstärkt zu
„Diabetes Deutschland“ gab. Sie sollte seiner Ansicht
sammenarbeiten. Außerdem soll die DDG umstruktu
nach eine gemeinsame Geschäftsführung haben, die
riert werden, um sie schlagkräftiger und gegenüber der
spezifischen Aktivitäten der Einzelverbände blieben
Politik einflussreicher zu gestalten. Den 42. Kongress
aber erhalten. Der Zusammenschluss brächte Syner-
der DDG Mitte Mai in Hamburg gestaltete Prof. Dr.
gieeffekte und zwangsläufig eine Professionalisierung
Peter Nawroth, Heidelberg. Sein Motto: „Die Diabeto
der Vereinsarbeit, argumentierte Kerner.
Die Befürchtung von DDG-Mitgliedern, die Wis-
senschaft würde in diesem Megaverein untergehen,
DDG-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Kerner, Karls-
sei unbegründet, sagte Kerner mit Verweis auf die an-
burg, beklagte in seiner Eröffnungsrede die Bedeu-
gloamerikanischen Vorbilder. Die Ausgaben von
tungslosigkeit seiner Gesellschaft, sie werde von der
Diabetes UK für wissenschaftliche Projekte liegen
Politik links liegen gelassen, die geballte Expertise
um den Faktor 10, die der ADA um den Faktor 100
der DDG sei zu wenig gefragt. Ein Grund dafür
könnte, so Kerner, „in der vielfältigen Landschaft der
Eine Umfrage bei den Mitgliedern der einzelnen
Diabetes-Organisationen in Deutschland liegen, sie
Organisationen soll nun ein Meinungsbild schaffen
ist auf den ersten Blick verwirrend und nur durch die
und evtl. die Weichen für weitergehende Fusionsge-
historische Entwicklung zu verstehen“.
spräche stellen. Ob tatsächlich eine druckvolle Ge-
Die Patientenvereinigung „Deutscher Diabetiker
sellschaft „Diabetes Deutschland“ zustande kommt,
Bund“ (DDB) wurde bereits 1951 gegründet, 1964
folgte die DDG als wissenschaftliche Gesellschaft, 1974 eine weitere Selbsthilfeorganisation, der „Bund
Diabetes: eine Gefäßerkrankung mit
diabetischer Kinder und Jugendlicher“ (BdKJ), und
metabolischen Folgen
schließlich 1992 der „Verband der Diabetesberater/
Der Schwerpunkt des wissenschaftlichen Pro-
-innen in Deutschland“ (VDBD). Seit 1985 gibt es
grammes war die Verknüpfung von Diabetologie
ferner die „Deutsche Diabetes-Stiftung“ (DDS). Sie
und Kardiologie. Nicht von ungefähr, schließlich
wurde gemeinsam von DDB und DDG zur Akquirie-
plädieren die Diabetologen selbst dafür, sich all-
rung von Spendengeldern gegründet. Von Kerner
mählich vom glucozentrierten Weltbild zu verab-
nicht erwähnt wurde die Deutsche Diabetes-Union
schieden und die kardiovaskulären Risiken stärker
(DDU), 1990 als Dachverband von DDB, BdKJ,
zu berücksichtigen. Der Spruch, Diabetes sei eine
VDBD und DDG gegründet. Sie vertritt die Interes-
Gefäßsystemerkrankung mit metabolischen Ent-
sen aller im Bereich Diabetes aktiven Gesellschaften
gleisungen, weist pointiert in die neue Denkrich-
gegenüber Behörden und Organisationen auf Bun-
tung. Denn mehr als 75% aller Diabetiker ver-
desebene und im Ausland, etwa als Mitglieder der
sterben an akuten Gefäßereignissen, vor allem an
International Diabetes Federation (IDF).
Herzinfarkt und Schlaganfall, wie Prof. Dr. Diet-
Gemessen an den Mitgliederzahlen haben alle Or-
helm Tschöpe kommentierte. Unter dem Leitge-
ganisatoren offensichtlich ihr Arbeitsfeld gefunden:
danken „Prävention vor Intervention“ ist heute die
Der DDB beispielsweise hat heute etwa 40 000 Mit-
Verhinderung solcher Gefäßkomplikationen bzw.
glieder, die DDG über 7 000, der BdKJ 6 000 und der
die optimale Versorgung gefäßkranker Diabetiker
die herausragende Aufgabe aller am Versorgungs-prozess beteiligten Institutionen. „Diabetes Deutschland“ – eine Allianz für die
Tschöpe plädierte dafür, nicht mehr vom metabo-
Interessen der Diabetiker
lischen, sondern vom kardiometabolischen Syndrom
Der Einfluss dieser Organisation auf die gesund-
zu sprechen: „Einerseits prädisponiert es zur Diabe-
heitspolitischen Entscheidungen im Bereich Dia-
tesmanifestation, andererseits begründet es den star-
betes ist nach Kerners Meinung allerdings viel zu
ken Anstieg kardiovaskulärer Erkrankungen wie
gering. Ein Blick nach Großbritannien und in die
Herzinfarkt und Herzinsuffizienz.“ Umgekehrt gäbe
USA zeigt, wie das Problem zu lösen wäre. Dort
es nicht den „nur“ Herzkranken: Bei mehr als zwei
sind Patienten, Forscher, Ärzte und Diabetesbera-
Drittel aller Patienten mit akutem Koronarsyndrom
ter/innen in einer großen Organisation vereinigt, in
ist zugleich der Glucosestoffwechsel gestört.
Herz 32 · 2007 · Nr. 5 Urban & Vogel
Für die Therapie erfordet dies eine multimodale
Stress-Echo mit körperlicher oder pharmakologischer
Komplexbehandlung, die von der Veränderung des
(Dobutamin-)Belastung sowie die Myokardszintigra-
Lebensstils bis zu einer mehrschichtigen Pharmako-
phie mit allen gängigen Tracern in Verbindung mit
therapie reicht und natürlich auch Interventionen
körperlicher oder pharmakologischer (Adenosin-)
Belastung, außerdem die Dobutamin-Stress-Ma-gnetresonanztomographie (DSMR) oder die Myo-
Effizientere Patientenversorgung durch
kard-Perfusions-MRT mit pharmakologischer (Ade-
interdisziplinäre Zusammenarbeit
nosin-)Belastung. Das nach Dörr vielversprechende
Die intensive Zusammenarbeit zwischen diabe-
Calcium-Scoring mittels Multidetektor-CT (MDCT)
tologisch und kardiologisch tätigen Ärzten in der
ist in Deutschland noch nicht Bestandteil der offizi-
Versorgung der Diabetespatienten ist eine aktuelle
Forderung, die kürzlich die europäischen Gesell-
Das konventionelle Belastungs-EKG hat Dörr zu-
schaften beider Fachdisziplinen in Form einer ge-
folge bei Diabetikern aufgrund der häufig vorhande-
meinsamen Leitlinie zusammengefasst haben.
nen diabetischen Neuropathie schwere Nachteile:
Wichtiges Ziel: Im Rahmen einer invasiven kardio-
„Das Hauptproblem ist ein unzureichender Herzfre-
logischen Diagnostik sollte möglichst bei allen Pati-
quenzanstieg unter ergometrischer Belastung. Bei
enten mit nachgewiesenen koronarer Herzkrankheit
Diabetiker besitzt das Belastungs-EKG in vielen Fäl-
(KHK) ohne bekannten Diabetes ein oraler Glucose-
len nur die limitierte diagnostische Aussagekraft
belastungstest (OGTT) durchgeführt werden. Die
alleinige Bestimmung der Nüchternglucosewerte ist
Im Zentrum der Frühdiagnostik stehen deshalb
bei Personen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko
die pharmakologischen Belastungstests. Mit ihnen
und besonders bei Personen mit bereits bekannter
können beim Nachweis einer stenosierenden KHK
KHK nicht ausreichend, meinte Prof. Dr. Eberhard
Sensitivitäten von beinahe 90% erreicht werden,
Standl, Mitautor dieser Anfang 2007 veröffentlichten
beim Belastungs-EKG liegt die Sensitivität nur bei ca.
Leitlinie. Seine Forderung stützt eine Registerstudie
70%. Die Indikation dazu sollte großzügig gestellt
des Herzzentrums Völklingen im Saarland. Dort wur-
werden und vor allem auch kardial beschwerdefreie
de mit einem OGTT bei fast 25% der Patienten mit
Diabetiker einbeziehen, denn viele von ihnen leiden
angiographisch gesicherter KHK ein Diabetes neu
diagnostiziert; in 32% der untersuchten Koronarpati-enten bestand eine Glucosetoleranzstörung. Dazu
Metformin: Sind die Kontraindikationen heute
Standl: „Damit wird deutlich, dass mit den bisher
noch aufrechtzuerhalten?
etablierten Methoden bei Patienten mit angiogra-
Metformin ist der ideale Kombinationspartner in der
phisch gesicherter KHK die Frühdiagnose einer Glu-
oralen antidiabetischen Therapie, in Kombination mit
cosestoffwechselstörung nicht gestellt und damit eine
Insulin können 20–30% der Insulindosis eingespart
wesentliche Option zur Behandlung der Gefäßer-
werden. In Monotherapie braucht man vor Hypo-
glykämien keine Angst zu haben, außerdem kommt es im Gegensatz zu vielen anderen Antidiabetika zu
Belastungs-EKG bei Diabetikern nur bedingt
keiner Gewichtszunahme, vielmehr sogar zu einer
aussagefähig
Gewichtsabnahme. Das wurde kürzlich erneut in der
Dr. Rolf Dörr, Dresden, berichtete über seine
ADOPT-Studie gezeigt: Am Studienende brachten
Erfahrungen mit der frühzeitigen Erfassung der
die Patienten unter Metformin im Mittel 7 kg weniger
Hochrisikoprofile von Patienten mit Diabetes und
auf die Waage als beispielsweise unter Behandlung
KHK. Im Durchschnitt vergehen 10 Jahre, so Dörr,
mit einem Glitazon. Metformin senkt außerdem den
bis ein Diabetes erstmalig diagnostiziert wird. Dar-
Blutzucker auch bei normalgewichtigen Typ-2-Dia-
aus ist zu schließen, dass in Deutschland Millionen
betikern und ist kürzlich auch für den Einsatz bei Kin-
von Personen mit unerkanntem, weil asymptoma-
dern zugelassen worden. Ein weiterer Vorteil ist der
tischem Prädiabetes oder Diabetes leben. Sie kön-
günstige Preis, das Mittel kostet pro Tag ca. 30 Cent.
nen nur durch eine gezielte Glucosediagnostik ein-
Bemerkenswert ist die präventive Wirkung: In der
schließlich eines OGTT identifiziert werden.
schon klassischen UKPDS-Studie senkte Metformin
Besonders gefährlich bei Diabetikern sind stum-
das Mortalitätsrisiko um 42% und das Herzinfarktri-
me Ischämien oder gar stumme Myokardinfarkte mit
besonders heimtückischen Folgen aufgrund einer
Die Liste der Kontraindikatonen umfasst neben
der Herzinsuffizienz besonders Niereninsuffizienz,
Die nichtinvasiven Screeningmethoden, die bei
fortgeschrittene KHK, hohes Alter und eine notwen-
Diabetikern hier einzusetzen sind, sind in den Leitli-
dige Gabe von Kontrastmitteln. Das Schreckgespenst
nien der DGK wie auch in der „Nationalen Versor-
dabei ist die Lactatacidose. Ein Blick in die Literatur
gungsleitlinie Chronische KHK“ aufgeführt. Laut
zeigt jedoch, dass diese Gefahr bei weitem nicht so
DGK kommt das konventionelle Belastungs-EKG,
groß ist wie gemeinhin angenommen. Eine Cochrane-
dann das Stress-Echo oder alternativ die SPECT-
Metaanalyse aus dem Jahre 2006, in die 206 prospek-
tive Vergleichs- und Kohortenstudien einbezogen
Die interdisziplinäre Versorgungsleitlinie erwähnt
wurden, ergab, dass Metformin-Patienten sogar we-
als alternativ einsetzbare bildgebende Verfahren das
niger Lactatacidosen erlitten als Patienten mit ande-
Herz 32 · 2007 · Nr. 5 Urban & Vogel
ren Medikamenten. Bezogen auf 100 000 Patienten-
288-mal am Tag. Die Patienten können ihre aktu-
jahre lag die Rate bei Metformin bei 6,3, bei anderen
ellen Blutzuckerwerte jederzeit abrufen und ent-
Patienten bei 7,8. Dieses Resultat ist umso eindrück-
sprechend reagieren, wenn die Werte sich in eine
licher, wenn man bedenkt, dass bei 44% der Metfor-
falsche Richtung entwickeln. Die Auswirkungen
min-Studien niereninsuffiziente Patienten (Kreatinin
von Mahlzeiten, körperlicher Aktivität sowie von
> 1,4 mg/l) eingeschlossen waren, also Patienten mit
Insulin- und Medikamentengaben auf den Gluco-
einer klassischen Kontraindikation für Metformin.
severlauf werden sofort ersichtlich, die Patienten
Für PD Dr. A. Holstein vom Klinikum Lippe/
können umgehend durch Änderung der Insulin-
Detmold ist es deshalb höchste Zeit, die Kontraindi-
oder Kohlenhydratzufuhr reagieren. Insgesamt
kationen in den Beipackzetteln zu revidieren. Hohes
verbessert die zeitnahe Intervention die Blutzucke-
Alter, kompensierte Herzinsuffizienz (NYHA I und
reinstellung, die Schwankungsbreite nimmt ab, das
II), stabile chronische Niereninsuffizienz (GFR > 40
ml/min) sowie die Gabe von Röntgenkontrastmitteln
Neben aktuellen Werten liefert das Gerät Ver-
und Operationen mit Allgemeinanästhesie sind Hol-
laufskurven über bis zu 24 h. Die Patienten können
stein zufolge als Kontraindikationen nicht mehr auf-
genau analysieren, wie gut sie ihre Glucosepumpe
programmiert haben, ob die Einstellung dem Tages-verlauf entsprechend, etwa nachts, eine optimale
Weiterer Etappensieg auf dem Weg zum
Blutzuckereinstellung gewährleistet. Glucosetrend-
künstlichen Pankreas
pfeile zeigen die Richtung und Stärke der Trendände-
Auf der DDG-Tagung wurde erstmals eine einzig-
rungen an, Alarmsignale warnen den Patienten Tag
artige Kombination aus Insulinpumpe und Glu-
und Nacht vor Hypo- und Hyperglykämien.
cosesensor vorgestellt. Das „MiniMed Paradigm
„Die kontinuierliche Messung des Blutzuckerspie-
REAL-Time System“ von Medtronic misst mit-
gels ermöglicht eine präzise Insulineinstellung“,
tels eines Sensors im subkutanen Interstitium alle
meinte Prof. Dr. Thomas Danne vom Kinderkran-
10 s den Glucosewert und sendet diesen über einen
kenhaus auf der Bult in Hannover. „Die neue Tech-
Transmitter kabelfrei an die Pumpe. Der Sensor
nik verspricht, die künftige Diabetesbehandlung ent-
kann bis zu 3 Tage getragen werden. Von den Da-
ten wird alle 5 min ein Durchschnittswert berechnet und im Display der Insulinpumpe angezeigt – bis zu
SERVICE Fortbildungsveranstaltungen des BNK Internet-Tipps zum Thema 29.8.2007 Die Nachsorge von Herzschrittmachern „Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen“
Positionspapier des Bundesverbandes Niedergelassener
7.9. – 9.9.2007 Jahreshauptversammlung des BNK
Kardiologen (BNK) zur kardiovaskulären Prävention (BNK
www.bnk.de/uploads/media/02_HZ_3_04_BNK_ 28.9. – 30.9.2007 Herbsttagung BNK Nord Positionspap.pdf
Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen (DGK
Weitere wichtige Termine für Kardiologen http://leitlinien.dgk.org/images/pdf/pdf/leitlinien_volltext/ 2005-08_kardiovaskulaere_erkrankungen.pdf 1.09. – 5.9.2007 ESC 2007
European Guidelines on Cardiovascular Disease Prevention
8.9.2007 6. Rheinisch-Bergisches Gefäß-Ultraschall-Kolleg www.escardio.org/NR/rdonlyres/E2EA65FA-93EC-4C03- AB1D-1D944AFA1690/0/guidelines_CVD_Prev_ES_2003.pdf
AHA Guidelines for Primary Prevention of Cardiovascular
15.9.2007 – 19.9.2007 ERS 2007
Disease and Stroke: 2002 Update (AHA 2002)
http://circ.ahajournals.org/cgi/reprint/106/3/388 27.9. – 29.9.2007 Herzinsuffizienz 2007
BNK: www.bnk.de
HERZ: www.bnk.de/herz.htm 4.10. – 6.10.2007 Herbsttagung DGK
Herz 32 · 2007 · Nr. 5 Urban & Vogel
Methods for Reduction of Sternal Wound Infection Francis Fynn–Thompson, MD, and Thomas J. Vander Salm, MD Deep sternal wound infections continue to be an uncommon but potentially devastating complication of cardiac surgical procedures. Numerous risk factors have been identified but only a few can be characterized as modifiable. These risk factors and their modifications are reviewed in